Geschichte der Hohenhainer Volksschule und ihrer Glocke

Dass Hohenhain seine eigene Schule bekommen würde, hätte einige Jahre vor der Einweihung am 1. September 1931 kaum jemand in dem kleinen, abgeschiedenen Bergdorf für möglich gehalten. Als während der von 1922 – 1926 durchgeführten Separation (Flurbereinigung) der damalige Gemeindevorsteher Joseph Preußer einen Bauplatz für eine später zu errichtende Schule festlegen lassen wollte, wurde diese Idee als utopisch angesehen und allgemein still belächelt, obwohl die um das Wohl ihrer Kinder besorgten Hohenhainer sich schon seit langem eine eigene Schule wünschten. Die Hohenhainer Schulkinder mussten nämlich den weiten und beschwerlichen Schulweg nach Freudenberg bei jeder Witterung zu Fuß gehen, wobei sie sich selbst überlassen und mancherlei Gefährdungen ausgesetzt waren.

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Der Bau einer Schule wurde bald wieder zum Gesprächsthema in Hohenhain, denn im Herbst 1927 musste der Amtsbürgermeister einen Bericht an die Regierung in Arnsberg über die Notwendigkeit von Schulneubauten in den Gemeinden des Amtes Freudenberg verfassen. Die Gemeinde Hohenhain nutzte diese Gelegenheit und forderte den Bau einer eigenen Schule, „eine Forderung, die in Anbetracht der vorhandenen Anzahl der schulpflichtigen Kinder berechtigt war. Der Stein war ins Rollen gebracht und die Schulangelegenheit Hohenhain fand in der Person des Landrates Goedeke, Siegen, einen warmherzigen und tatkräftigen Förderer, dem es Hohenhain und auch andere Orte des Siegerlandes zu verdanken haben, dass sie in den Besitz einer Schule bzw. neuen Schulgebäudes gekommen sind, und man Landrat Goedeke mit Recht den Ehrentitel ‚Schulenbauer des Siegerlandes’ geben könnte.“ Am 26. Juli 1929 traf eine Kommission, die neben dem Landrat, zwei Schulräten und dem Amtsbaumeister überwiegend aus Regierungsbeamten bestand, zur Ortsbesichtigung ein. Es war ein heißer Sommertag und da die Herren den Anstieg von Freudenberg nach Hohenhain zu Fuß bewältigten, erlebten sie neben der Schönheit der Landschaft auch die Strapazen, die für die Schulkinder zum Alltag gehörten, am eigenen Leib. Aber vielleicht hat ja gerade das den Ausschlag gegeben, den Bau einer Schule in Hohenhain zu befürworten. In ihrem Reisebericht über die Besichtigung von Schulbauten im Kreis Siegen vermerkten die Arnsberger Regierungsbeamten u.a. folgendes: „Die Schulkinder der hochgelegenen Ortschaft Hohenhain, zum Schulverband Freudenberg gehörig, müssen täglich einen etwa 4 km langen, wegen der Steilheit und des unwegsamen Geländes beschwerlichen Weg hin und zurück gehen. Nach der glaubhaften Angabe der Gemeindeglieder nimmt der Aufstieg vielfach bis zu 2 Stunden in Anspruch und die Kinder, die gegen 6 Uhr morgens das Haus verlassen, kommen oft bei Nachmittagsunterricht erst gegen 6 Uhr abends heim, ohne etwas Warmes gegessen zu haben. Am meisten leiden die Kinder naturgemäß bei Regenwetter und Schnee, wenn die Kleidung und das Schuhwerk nass geworden sind. Nach Angabe des Gemeindevorstehers sind gegenwärtig 26 Kinder vorhanden; und die Kinderzahl und die Zahl der Einwohner werde erheblich steigen, wenn eine Schule am Ort wäre, …. Auch würden die Einwohner der unmittelbar benachbarten zum Kreise Altenkirchen gehörigen Häuser gern ihre Kinder in eine neue Schule in Hohenhain schicken. Der in Aussicht genommene Schulplatz wurde besichtigt und für geeignet anerkannt. Die voraussichtlichen Baukosten schätzt Herr Amtsbaumeister Leutzbach bei Ausnutzung von Hand- und Spanndiensten der Gemeinde auf 40000 RM für eine Klasse nebst Lehrerdienstwohnung. Der Bau wird für notwendig erklärt und das staatliche Baumittel in Aussicht gestellt, ….“

Der Finanzierungsplan sah vor, dass 18000 RM gemeinsam von der Gemeinde Hohenhain und dem bisherigen Gesamtschulverband Freudenberg – Hohenhain aufzubringen seien. Die Gemeindevertretung von Freudenberg lehnte jedoch jegliche Beteiligung an einem Schulneubau in Hohenhain ab. Auch der Bürgermeister in Friesenhagen sprach sich wegen der zu geringen Schülerzahl in Hammerhöhe gegen die Bildung des Gesamtschulverbandes Hammerhöhe – Hohenhain aus. Bei dieser Sachlage sah man keine Möglichkeit mehr, den Schulbau und damit die Errichtung einer Lehrerstelle in Hohenhain zu finanzieren. Der Traum von der eigenen Schule schien ausgeträumt. Aber es gab ja noch Landrat Goedeke, der sich wieder einmal als treibende Kraft zeigte. Ihm gelang es, die Bedenken der Flecker mit Überzeugungsarbeit und Kreiszuschüssen zu zerstreuen. Damit war der Weg nun endlich frei für die Herbeiführung der erforderlichen Beschlüsse der beteiligten Gremien. So verpflichtete sich die Gemeindevertretung von Hohenhain in der Sitzung vom 6.3.1930, „die auf Hohenhain anfallenden etwa 4000 RM der Bausumme vorwiegend durch Hand- und Spanndienste aufzubringen.“ Nachdem nun alle Hindernisse beseitigt waren, erteilte die Regierung in Arnsberg am 7.5.1930 die Genehmigung zur „Errichtung einer einklassigen Schule mit Lehrerdienst- wohnung.“ Zunächst wurde mit dem Bau des Brunnens begonnen. Die Ausschachtungsarbeiten erwiesen sich wegen des felsigen Bodens als sehr schwierig. In einer Tiefe von 10m stieß man auf Wasser in ausreichender Menge. In späteren trockenen Sommern war der Brunnen jedoch des Öfteren versiegt. Am 4. und am 12. Juni 1930 fanden unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Plaas die „Verdingungsverhandlungen“ statt. Dabei gingen die Erdarbeiten an Karl Rosenthal, die Maurerarbeiten an Bender & Gattwinkel, Freudenberg. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise gab es damals auch in Hohenhain Arbeitslosigkeit. So wurde vereinbart, dass bei den Bauarbeiten arbeitslose Bauhandwerker aus Hohenhain besonders berücksichtigt werden mussten. Die Arbeiten schritten schnell voran, so dass schon Mitte August 1930 der Rohbau fertig gestellt war. Der Schulsaal war 49,30 qm groß (8,50m x 5,80m). Die Lehrerwohnung hatte eine Fläche von 72,30 qm.

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Am 1. September 1931 war es endlich soweit. Das neue Schulhaus wurde feierlich eingeweiht und der langersehnte Wunsch der Hohenhainer, eine eigene Schule zu besitzen, ging in Erfüllung. Der Chronist, Lehrer Joseph Dosch, schreibt über diesen großen Tag: „Es hieße Eulen nach Athen tragen (Butter nach Friesenhagen tragen, sagt man hierzulande) wollte man eingehend von der großen Festesfreude und dem jubelnden Dank berichten, der alle, groß und klein, erfüllte ob des großen Ereignisses. Für Hohenhain ein großer, denkwürdiger Tag! – Der Aufgang, der von der Straße zu dem Schulgebäude führt, war von Birkenreisern geschmackvoll eingesäumt, links und rechts von der mit Tannengrün und Blumen geschmückten Eingangspforte zum Schulhof wehten lustig die preußischen und Reichsfarben im Wind. Über dem breiten Eingang zur Schule grüßte der sinnvolle Spruch: ‚Unsern Eingang segne Gott, unsern Ausgang gleichermaßen’. Da die neue Schule eine katholische Bekenntnisschule war  (Hohenhain war die einzige Gemeinde im ganzen Amt Freudenberg mit überwiegend katholischer Bevölkerung), fand am Vormittag in der kath. Pfarrkirche zu Freudenberg die kirchliche Feier statt. Im Anschluss daran vollzog Pfarrer Poll die feierlichen Weihezeremonien, bevor am Nachmittag gegen 14.30 Uhr der weltliche Festakt begann. Von der Wohnung des Gemeindevorstehers Wirth marschierte der Festzug, voran der Lehrer mit den Kindern, zu der im Fahnen- und Girlandenschmuck prangenden Schule. Auf dem Schulplatz begrüßte Gemeindevorsteher Wirth die Anwesenden. Amtsbaumeister Leutzbach übergab die Schlüssel mit einer kurzen Ansprache an Bürgermeister Plaas als den Vorsitzenden des Schulverbandes. Dieser schilderte dann die Entstehung der neuen Schule und gab die Schlüssel an den neu angestellten Lehrer Dosch weiter, der zunächst Eltern und Kinder zu dem Freudentage beglückwünschte, Worte des Dankes allen denen abstattete, die zur tatkräftigen Förderung des Werkes beigetragen hatten und seinerseits gelobte, die Schule treu zu verwalten und sie zur ‚Pflanzstätte’ tüchtiger Menschen zu machen und das gute Einvernehmen zwischen Eltern und Schule zu wahren und sich zu bemühen, besonders da es sich hier um Kinder beider Konfessionen handele, den richtigen Weg zu finden.“ (Obwohl es eine katholische Bekenntnisschule war, sahen die evangelischen Eltern darin keinen Grund, ihre Kinder nicht in die neue Schule zu schicken.) Pastor Demandt für die evangelischen und Pfarrer Poll für die katholischen Eltern bekräftigten in ihren Reden den Willen zum gemeinsamen Wirken in gegenseitiger Hilfsbereitschaft.

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Und Lehrer Dosch fand den richtigen Weg für ein Miteinander der Konfessionen getreu seiner Devise: „Was wir gemeinsam haben, wollen wir pflegen, und was uns trennt, nicht vertiefen.“ Den kath. Religionsunterricht gab Dosch selbst, den für die evangelischen Kinder Schwester Alma aus Freudenberg. Als das NS-Regime den Religionsunterricht an den Schulen verboten hatte, waren sich die beiden einig und erteilten ihn weiterhin – privat. Nach Beendigung des offiziellen Festaktes im Schulsaal bekamen alle Kinder einen riesigen Wecken geschenkt. In der Gaststätte Karl Rosenthal (Klein-Tirol) wurde die Feier fortgesetzt. Der Kaffeetisch war für ca. 50 Personen gedeckt, allerdings – in Anbetracht der schlechten Finanzlage der Gemeinde – auf Kosten der einzelnen Festteilnehmer. „Bei munteren Reden flossen die Stunden dahin. (…) Mit einem Ständchen, dargebracht vom kath. Kirchenchor Freudenberg unter der Stabführung von Vinzenz Schulte, und einem sich daran anschließenden gemütlichen Beisammensein fand der für die Hohenhainer so bedeutungsvolle Tag seinen schönen Abschluss und harmonischen Ausklang.“ Es war gewiss nicht leicht, alle 8 Schuljahrgänge in einem Raum gleichzeitig zu unterrichten. Aber Joseph Dosch war auch noch nach 25 Jahren von „seiner Einklassigen“ begeistert. So schwärmte er beim Schuljubiläum im Jahr 1956: „Die einklassige Schule ist wirklich eine Erziehungsschule, man geht da vollkommen auf, ist ganz hingegeben an die Kinder, weil es keine zeitliche und geistige Trennung gibt.“

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Die Schülerzahl schwankte im Lauf der Jahre erheblich. Zunächst waren es 34 Kinder (einschließlich der Kinder aus Hammerhöhe, denen nun der weite Schulweg nach Friesenhagen erspart blieb). Die Zahl stieg noch auf 37, ging dann aber von Jahr zu Jahr zurück. 1939 waren es noch 22, im Jubiläumsjahr 1956 nur noch 15. In den folgenden Jahren stieg die Zahl aber wieder deutlich und stetig an, so dass der Klassenraum langsam zu klein wurde. Lehrer Hans Schnieber, der mit Beginn des Schuljahres 1957/58 die Nachfolge des pensionierten Lehrers Dosch angetreten hatte, vermerkte 1963 in der Schulchronik: „Im Moment wird die Schule von 44 Kindern besucht. Da die Messzahl 40 beträgt, wird die Schule zweiklassig. Wegen Lehrermangels kann keine zweite Lehrkraft zugewiesen werden, so dass der Chronist in zwei Gruppen ( Klassen 1-4 u. 5-8) unterrichtet.“ Ein Jahr später betrug die Schülerzahl 48 und die Lehrerin z.A. Erika Birk wurde als zweite Lehrkraft an die Schule versetzt. Bis zur Fertigstellung des im Oktober 1964 genehmigten Neubaus erhielten die Kinder weiterhin Schichtunterricht.

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Am 11. Juli 1966 wurde der Neubau seiner Bestimmung übergeben. Aber die Freude über die neue Schule währte nur zwei Jahre, denn seit der Schulreform 1968 müssen die Hohenhainer Kinder wieder nach Freudenberg zur Schule. In den frei gewordenen Gebäuden wurden vorübergehend zunächst die Realschule, danach die Sonderschule für Lernbehinderte untergebracht. 1974 kaufte die Friedrich-Ebert-Stiftung das Schulgelände und nutzte die beiden Schulhäuser bis 1981 als Heimvolkshochschule. Danach gingen die Gebäude wieder in das Eigentum der Stadt Freudenberg über und dienten lange Zeit als Unterkunft für Asylbewerber. Seit 2012 ist das Gelände in Privatbesitz, und das ältere der ehemaligen Schulhäuser wurde in vorbildlicher Weise zu Wohnzwecken umgebaut. In einem Bericht über die Geschichte der Volksschule Hohenhain darf die Schulglocke nicht unerwähnt bleiben. Die für den Bau der Schule veranschlagten Kosten wurden um etwa 3700 RM unterschritten. Von diesem eingesparten Geld ließ man für ca. 200 RM eine 1 Zentner schwere Bronzeglocke gießen, die am südlichen Dachfirst angebracht wurde und vom Schulflur aus geläutet werden konnte. Sie trug die Inschrift: „Ite ad Joseph“ („Gehet zu Joseph“).

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„Bei ihrer besonderen Vorliebe für Gegenstände, die religiösen Institutionen dienten, beschlagnahmte 1944 die NS- Regierung die Glocke ohne jeglichen Requirierungsschein, geschweige Entschädigung. 1946 bekam der Gemeindevorsteher Halberstadt eine Mitteilung, dass die Glocke unter Nr. X registriert auf einem Glockenfriedhof bei Hamburg sei und nach Zugehen eines weiteren Bescheides abgeholt werden könnte. Dieser ist nie gekommen. Auf eine Anfrage kam der Bescheid, es wäre ein Irrtum unterlaufen, die Glocke gehöre Hohenheim / Stuttgart.“ Obwohl Signatur und Inschrift die steckbrieflichen Merkmale unserer Glocke trugen, konnte sie trotz aller Bemühungen nicht wiederbeschafft werden. Wenig später hieß es in einem Zeitungsbericht, dass etwa 30 Glocken auf dem Schwarzmarkt verschoben worden seien und der Staatsanwalt sich der Sache angenommen habe. Es ist anzunehmen, dass unsere Glocke auch dabei war. Die Hohenhainer vermissten den vertrauten Klang ihrer Glocke sehr, besonders bei Beerdigungen. 1953 wurde auf einer Bürgerversammlung die Anschaffung einer neuen Glocke beschlossen. Da öffentliche Mittel nicht zur Verfügung standen, war die Glocke nur durch freiwillige Spenden zu finanzieren. Aus Kostengründen entschied sich die Versammlung für eine Stahlglocke und beauftragte Bürgermeister Heinrich Hombach, Angebote vom „Bochumer Verein“ einzuholen. Max Wirth und Lehrer Dosch erklärten sich bereit, die Haussammlungen durchzuführen. In dem Spendenaufruf hieß es: „Glockenklang erhebt des Menschen Gemüt, Glocken künden Gottes Lob und verherrlichen seinen Namen. Lebenslänglich bleibt das vertraute Geläut des Heimatdorfes auch in der Fremde in lebendiger Erinnerung. Die Gemeindevertretung wendet sich an alle Einwohner und an die uns Wohlgesinnten der Nachbarschaft und bittet dringend um eine diesbezügliche Spende.“ Das Ergebnis der Sammlung war überwältigend. Annähernd 600 DM wurden gespendet und der Kreis bewilligte einen Zuschuss von 100 DM. Die neue Glocke fand ihren Platz an der alten Stelle unter dem Dachfirst. Da ihr Klang im Dorf jedoch nicht gut zu hören war, wurde neben der Schule, dem Dorf zugewandt, ein Glockenturm gebaut. Dort hängt die Glocke seit 1954 und läutet nach wie vor zu Mittag und zu Abend und bei Begräbnissen. Lehrer Dosch schließt seine Ausführungen zur Schulglocke mit folgenden Worten: „Möge die Glocke nicht nur den Mittag und Abend einläuten, möge ihr jetzt überall gut hörbarer Klang uns stets Mahnung zu Frieden und Eintracht sein zu Nutz und Frommen aller, die hier in dem schönen Bergdörfchen wohnen und weilen!“ Diesem Wunsch kann man sich nur anschließen.

 

Heinz Fischbach

 

Quellenangabe: Schulchronik der kath. Volksschule zu Hohenhain