Wie alt ist Hohenhain?

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550 Jahre Hohenhain

 

1467 – 25 Jahre vor der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, 50 Jahre vor Martin Luthers Thesenanschlag und dem Beginn der Reformation – taucht der Name Hohenhain erstmals in einem überlieferten Schriftstück auf, allerdings als Flurname, als Bezeichnung für einen bestimmten Landschaftsteil und noch nicht als Name für einen bewohnten Ort, den es hier zwar schon lange vorher gibt, der aber zu dieser Zeit noch Oendorf heißt.

Erst 148 Jahre später, am 23. Juli 1615, wird für diesen Wohnort, der aus zwei Höfen besteht, zum ersten Mal der Name Hohenhain verwendet. Anlässlich einer Taufe wird im ältesten Freudenberger Kirchenbuch als Patin genannt „Steffan Sölers uf dem Hohhan Hausfrau Bilam“.

 

Die Schläge auf dem Hohen Han

Bei dem Schriftstück von 1467 handelt es sich um die Siegener Renteirechnung dieses Jahres. Darin heißt es „do sie die schlege machten uff dem hogen hane vur kost 9 Schilling.“

Mit Siegener Rentei ist die Finanzverwaltung des Fürstentums Nassau-Siegen gemeint.

Schlege ist die Bezeichnung für Schlagbäume oder Schranken.

Da es die „Schlege uff dem hogen hane“, die mit diesem Eintrag ebenfalls erstmals urkundlich erwähnt werden, schon vor 1467 gab, werden die 9 Schillinge wohl für eine Reparatur oder Erneuerung der Schlagbäume bezahlt worden sein.

 

Was bedeutet nun der Flurname „hogen han“?

Die mittelhochdeutschen Grundwörter -hagen, -hag, -han und ursprünglich auch -hain bedeuten alle dasselbe – nämlich einen umhegten Bereich. Das konnte eine Hofstelle oder auch eine größere Siedlung sein, die zum Schutz mit einer „Hege“, einer Hecke also und einem Wall umgeben war.

Es konnte damit aber auch eine Stadt- oder Burgwehr gemeint sein oder, und das ist in unserem Fall nahe liegend, eine Landhecke oder Landwehr.

 

Fünfzehn Jahre später wird der Flurname Hohenhain ein zweites Mal genannt, diesmal in einer Grenzbeschreibung der Grafschaft Nassau vom 24. Mai 1482, in der es heißt:

vort den hoe wech bover Gerndorff hin biß uff den Hoogen Haen, da dat crutze steit uff Nassauer erden, vort van dem crutze zu Odendorff durch die alden hobe und vort den alden patt ussen biß an den hoe wech, de gehn Rümmerßhagen geiht“ (Schutte 1976, S. 19).

 

Hier haben wir auch den Hinweis auf den Wohnort Oendorf, der mittlerweile offenbar aus zwei Höfen besteht („die alden hobe“), wovon der ältere für Freudenberger und Siegerländer Verhältnisse uralt ist. Zusammen mit anderen Ortschaften kommt er in einem undatierten Heberegister der Abtei Werden vor, das nach Expertenmeinung sicher aus dem 11. Jahrhundert, möglicherweise sogar aus dem 9. Jahrhundert stammt.

In lateinischer Sprache steht darin geschrieben, dass Odincthorpa (Odindorf, Oendorf) vier oves (Schafe) als Pacht liefern muss, Blitheriashagon (Plittershagen) zwei, Fresenhagon (Friesenhagen) vier, Camponsteina (Kappenstein) vier und Salubeki (Sohlbach bei Friesenhagen) vier Schafe (Güthling 1956, S. 12).

 

So weit der Ausflug in die Ortsgeschichte. Nun zurück zum Hogen Han.

 

Die Landhecke

Der Flurname „hogen han“ könnte also hochgelegene Hecke bedeuten und auf die Nassau-Siegener Landhecke hinweisen, die etwa seit Mitte des 15. Jahrhunderts bis Mitte des 17. Jahrhunderts das Siegerland vollständig zum Schutz gegen feindliche Überfälle umschloss.

Die Landhecke bestand aus Wall, Graben und einer 30 – 80 Meter breiten undurchdringlichen Hecke, dem sogenannten Gebück. Das Gebück wurde durch Anpflanzen von Hainbuchen („Heckenbuchen“) angelegt, deren Seitenzweige man nach unten bog („bückte“), miteinander verflocht, in die Erde eingrub und wieder neu ausschlagen ließ. Zusätzlich wurden Dornengewächse in die Zwischenräume gepflanzt – vorzugsweise Brombeersträucher („Zorrbrähmen“) und Weißdorn, früher „Hagdorn“ genannt.

 

Die Jahrzehnte vor und nach 1500 waren gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Fehden, in die auch die Grafen von Nassau – insbesondere mit den „Westfälingern“ – verwickelt waren, inklusive eines über 80 Jahre dauernden Grenzstreites mit Kurköln.

Bei diesen kriegerischen Auseinandersetzungen waren die Gegner darauf bedacht, möglichst viel Beute zu machen und den Feind zu schwächen, indem man seine Untertanen ausplünderte, ihre Häuser anzündete und sie selbst gefangen nahm, um hohe Lösegelder zu erpressen. Man musste also auf der Hut sein und sendete Kundschafter – ‚heimliche Männer’ – aus, um über die Absichten und die Stärke der Feinde unterrichtet zu sein. Die Siegener Renteirechnungen enthalten zahlreiche Ausgaben für diesen Zweck. Im Jahr 1446 schickte man sogar eine Frau auf Kundschaft aus. Sie scheint aber wenig ermittelt zu haben, denn sie bekam nur sechs Albus Lohn, während ein ‚heimlicher Mann’ den achtfachen Betrag, zwei Gulden, erhielt“ (Siebel 1963, S. 65 f).

Vielleicht wurden Frauen aber auch damals schon für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.

 

Wie mag den Siegerländern in jener Zeit zumute gewesen sein? Kaum war eine Fehde beendet, so brach eine neue aus. Wie würde es dem Land und seinen Bewohnern wohl ergangen sein, wenn die Landhecke sie nicht geschützt hätte“ (Siebel 1963, S. 67)?

 

Am bedrohlichsten aber muss für das Siegerland die Soester Fehde (1444-1449) gewesen sein, in der die größte Stadt Westfalens die Herrschaft des Kölner Erzbischofs  abschüttelte. Zu Beginn der Fehde belagerte der Kirchenfürst das nahe gelegene Bilstein. Die unbeteiligten Nassauer befürchteten Übergriffe und Raubzüge ins Siegerland. Insbesondere das 1447 gegen Soest herangeführte böhmische Söldnerheer des Erzbischofs löste auch im Siegerland Angst und Schrecken, aber auch höchste Verteidigungsbereitschaft aus.

So gilt die Soester Fehde als der zeitliche Rahmen und das ursächliche Ereignis für den Bau der Nassau-Siegener Landwehr, die hier auf dem „hogen hane“ noch zu großen Teilen erhalten und im Gelände gut zu erkennen ist.

 

Damit die Hecke auf Dauer dicht und wehrhaft blieb, musste sie regelmäßig mit Hilfe der Untertanen gehegt und gepflegt werden. 1498 hatte der Graf ein Gesetz erlassen, welches jedermann, „er sey, wer er wulle“, das Holzfällen in den befriedeteten Wäldern und in den Hecken unter Androhung drastischer Strafen (Abhacken einer Hand) verbot.

 

Wie dicht die Landwehr dank unermüdlicher Hege und Pflege war und was sie zu leisten vermochte, zeigt eine Begebenheit vom Holzklauer Schlag:

Im Jahre 1597 brachte der Kommissarius Hell Truppen für den Türkenkrieg nach Ungarn. Er wählte den Weg durch das Siegerland. Zunächst versuchte  Graf Johann der Ältere, ihn davon abzubringen, indem er auf das unwegsame Gelände und die in der Nachbarschaft wütende Pest hinwies. Aber der Kommissar kannte solche Ausreden und ging nicht darauf ein. Mit Rücksicht auf den Kaiser, den Auftraggeber Hells, war der Graf gezwungen, mit dem Kommissar zu verhandeln und einen Tag für den Durchzug zu verabreden. Der Auszug (die Miliz) wurde aufgeboten und alles zur Sicherheit des Siegerlandes vorbereitet. Da Hell früher als vereinbart am Holzklauer Schlag erschien, wurde ihm der Durchzug verweigert. Weil auch die anderen Schläge stark besetzt waren, versuchten die Soldaten, durch die Hecke zu schlüpfen, was sich aber als unmöglich herausstellte. Sie war undurchdringlich und außerdem sorgfältig bewacht. Hell sah ein, dass es ihm nicht gelingen würde, den stark bewehrten Schlag zu stürmen. Er zog es deshalb vor, mit seinen Soldaten im Amte Wenden Quartier zu nehmen; dass dessen Bewohner sich durch eine größere Summe von der Einquartierung freigekauft hatten, spielte für ihn keine Rolle“ (Siebel 1963, S. 72).

 

Etwa 25 Jahre vor dieser Begebenheit war die Landwehr ausgebaut und erheblich verstärkt worden. Der Grund dafür war der Beginn des niederländischen Befreiungskrieges im Jahr 1568. Wilhelm von Nassau, Prinz von Oranien, führte die Niederländer im Kampf gegen die Spanier an. Sein Bruder, unser Landesherr Johann der Ältere, Graf von Nassau-Dillenburg, unterstützte ihn entscheidend. Damit wurde das kleine Siegerland zum Feind der Weltmacht Spanien.

Für die Niederländer gilt Wilhelm noch heute als Nationalheld und „Vater des Vaterlandes“. „Wilhelmus von Nassauen bin ich von deutschem Blut“, so beginnt ihre Nationalhymne, die ihm zu Ehren geschrieben wurde. 

 

Die wichtigsten Durchgänge durch die Landwehr wurden nun zusätzlich durch Dreieckschanzen und größere Bollwerke gesichert, die den neuesten und in den Niederlanden bereits bekannten militärischen Errungenschaften des Festungsbaus Rechnung trugen.

Die Beschießung des Gegners aus den Dreieckschanzen und Bollwerken war nun von mehreren Seiten unter Ausschluss toter Winkel möglich.

 

Tatsächlich war das Siegerland in den folgenden Jahrzehnten einer ständigen Bedrohung ausgesetzt und kam nicht mehr zur Ruhe. Dauernd waren Kundschafter unterwegs, um die Grafen über die Gegner auf dem Laufenden zu halten. Hier einige Beispiele:  

1578 lag der Auszug „deß frembden kriegsvolcks halber an der Hecken“.

1580 und 81 befanden sich spanische Truppen bei Köln und Andernach.

1588 wurde Freudenberg von kurkölnischen Soldaten überfallen. Darauf warb Johann Truppen an und legte sie samt den Lehnsleuten an die kölnische Grenze.

1589 besetzte der Auszug zusammen mit „Herbornischen Schutzen“ wieder die Landwehr wegen „des durchziehenden kriegsvolcks“. Johann der Mittlere lag selber bei Krombach „vf der hecken“.

Im Winter 1598/99 lagen 21000 Spanier in Westfalen im Quartier. Sie kamen bis „uf ein meil wegs nahe bey die Siegenischen Grentzen“.

1609 und 1614 befürchtete man abermals Überfälle der Spanier (Siebel 1963, S.72 f.).

 

Die Straße(n) und der Schlag

Die Straße, die hier die Landhecke durch die „schlege uff dem hohen han“ passierte, war seit dem frühen Mittelalter bis zum Bau der Kunststraßen vor ca. 200 Jahren eine der wichtigsten in Europa – eine „Via Regia“, eine Reichsstraße, die unter dem Schutz des Königs stand. Aus dem europäischen Osten kommend führte sie über Krakau, Görlitz, Marburg, Siegen, Köln und Aachen nach Antwerpen. Eine Ost-West-Magistrale also, vergleichbar mit der heutigen Autobahn A 4. Kurz hinter dem Hohenhainer Schlag kreuzte die Brüderstraße, wie sie zwischen Siegen und Köln auch genannt wurde, eine andere bedeutende Straße, den Hileweg, der von Süden kommend bei Betzdorf die Sieg überquerte, über den Molzberg nach Katzwinkel und weiter an Engelshäuschen, Stöcken und Mausbach vorbei über den Hohen Han und Römershagen durch das Märkische und Bergische ins Ruhrgebiet und schließlich in die Niederlande führte.

 

Kein Wunder also, dass dieser Landwehr-Durchlass auf dem Hohen Han besonders gesichert und zum „Dicken Schlag“ ausgebaut wurde.

Die ursprüngliche Sicherung – bestehend aus drei hintereinander gestaffelten Schlagbäumen und einer ovalen Schanze – wurde nun verstärkt durch zwei zusätzliche größere Wälle und Gräben, zwei Schlagbäume, zwei Dreieckschanzen und zwei große Bollwerke für Artilleriegeschütze.

Die Bezeichnung „Schlag“ meinte nicht nur den Schlagbaum selbst, sondern auch den durch ihn gesicherten Durchgang. Die Wächter an den Schlagbäumen nannte man „Bäumer“. Daraus entstand der gleichlautende Familienname, der besonders im Raum Freudenberg verbreitet ist.

 

Die strategisch günstige Lage am Grenzübergang der Brüderstraße beeinflusste den Ausbau des Hohenhainer Schlages zu einer Art Festung. Die Schutzfunktion von Burg Freudenberg verlor damit gleichzeitig an Bedeutung.

Der Flecken und das Siegerland wurden nun auf dem Hohen Han verteidigt.

 

Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) und danach nahm die militärische Bedeutung der Landwehr immer mehr ab. Gegen die großen Heere konnte sie nicht mehr viel ausrichten. Um sich vor den Truppen zu schützen, wurde Bestechung zur bevorzugten Lösung, wie die Siegener Renteirechnungen belegen.

 

Der Zoll

Neben der Verteidigungsfunktion erfüllte die Landhecke noch eine andere wichtige Funktion  – die Zollkontrolle.

Das Siegerland lebte von der Eisen- und Stahlerzeugung. Die Stahlveredelung wurde sein Markenzeichen. Das Amt Freudenberg war der Hauptsitz der Stahlschmiede in Nassau-Siegen. Für die Freudenberger Hammerwerke war das Roheisen aus den angrenzenden Territorien, insbesondere der saynischen Grafschaft Altenkirchen, leichter und billiger zu beschaffen als aus dem weiter entfernt liegenden inländischen Ferndorf, Müsen und Hilchenbach.

 

Die ausländische Konkurrenz erforderte Abgrenzung und Kontrolle. Freier Handel musste unbedingt verhindert werden, um das heimische Gewerbe zu schützen.

Die Einfuhr von Roheisen (davon hatte man selbst genug) sowie die Ausfuhr von Holzkohle (davon hatte man zu wenig) wurden verboten.

Wo konnte das besser kontrolliert werden als an den Schlägen der Landwehr?

 

Das erklärt auch, warum die Eisentransporte aus dem Freien Grund und dem Saynischen ins Märkische und Bergische nicht auf direktem Weg durch das Siegerland führten, sondern um es herum auf der Außenseite der Landwehr über den erwähnten Hileweg, der zwischen Betzdorf und Meinerzhagen auch als Eisenstraße bezeichnet wurde.

 

Die Landwehr mit ihren Zollstationen an den Grenzübergängen bescherte dem Landesherrn nicht nur Zolleinnahmen, sondern trug über die Kontrolle von Ein- und Ausfuhr wesentlich dazu bei, die Wirtschaftsordnung aufrecht zu erhalten.

 

Auch auf dem Hohen Han, einem der wichtigsten Grenzübergänge, war eine Zollstation. In einer Karte von 1808 ist der Dicke Schlag noch als „Zollbureau“ eingetragen. Nach dem Wiener Kongress (1815) fiel das Siegerland, wie auch die meisten angrenzenden Territorien, an das Königreich Preußen. Damit war die Landhecke als Zollgrenze überflüssig und der Dicke Schlag hatte endgültig ausgedient.

 

Pilger und andere Reisende

Nicht nur der mächtige Güterverkehr kam über den Hohen Han (um 1800 sollen des Öfteren an die 100 Fuhrleute in den drei Wirtshäusern übernachtet haben), auch der Personenreiseverkehr, meist zu Fuß oder zu Pferd, führte über die stark frequentierten Handelsstraßen mit ihrer Infrastruktur.

So soll auch Martin Luther im Frühjahr 1512 auf seiner Reise von Wittenberg nach Köln, wo er Anfang Mai an einem Konvent seines Augustinerordens teilnahm, über den Hohen Han gewandert sein.

 

Auch der in Siegen geborene spätere Malerfürst Peter Paul Rubens ist mindestens einmal über den Hohen Han gereist. 

Dazu ein paar Erläuterungen: Sein Vater Jan Rubens, ein gelehrter Calvinist aus Antwerpen, hatte sich vor den spanischen Truppen des Herzogs Alba nach Köln in Sicherheit gebracht, wo er als Jurist praktizierte. Er war u.a. Rechtsbeistand und Vermögensberater der sehr vermögenden Anna von Sachsen, mit der Wilhelm von Oranien seit 1561 in zweiter Ehe verheiratet war. Jan Rubens kümmerte sich aber wohl um mehr als nur um Annas Vermögen. So erblickte am 22. August 1571 im Oberen Schloss zu Siegen Christine, eine Tochter Annas, das Licht der Welt. Wilhelm von Oranien, der die Vaterschaft nicht anerkannte, setzte alles daran, des Ehebrechers habhaft zu werden, um ihn vor Gericht zu stellen.

 

Zwischen dem 7. und 10. März 1571 kam es im Stadtgebiet vor Freudenberg zur Gefangennahme des niederländischen Juristen, der von Köln in nassauisches Territorium eingereist war“ (Stötzel 2016, S. 126).

 

Es ist nicht bekannt, ob die Gefangennahme auf dem Hohen Han erfolgte. Aber welcher Ort im Stadtgebiet vor Freudenberg wäre dafür besser geeignet gewesen als der Hohenhainer Schlag?

 

Nach über zweijähriger Gefangenschaft in Dillenburg kam Jan Rubens frei. Er zog nach Siegen zu seiner Ehefrau Marie, die ihn wieder aufnahm. Peter Paul wurde vor 440 Jahren am 28. Juni 1577 als zweiter Sohn der Eheleute Rubens in Siegen geboren. Ein Jahr später zog die Familie - über den Hohen Han - nach Köln.

 

Welch ein Glück für Vater Rubens und für die Kunst, dass er nicht – was durchaus möglich gewesen wäre – zum Tode verurteilt wurde.

 

 

Seit dem 9. Jahrhundert überzog ein Netz von Jakobspilgerwegen ganz Europa. Auch die Brüderstraße gehörte dazu. Die Pilger reisten aber nicht nur zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Beliebte Pilgerziele waren - und sind auch heute wieder - in östlicher Richtung Marburg mit dem Grab der Hl. Elisabeth und Erfurt, ein Zentrum der Bonifatiusverehrung, in westlicher Richtung Köln mit den Gebeinen der Hl. Drei Könige und Aachen mit seiner im siebenjährigen Turnus stattfindenden Heiligtumsfahrt. 

Die meisten Pilger, die nach Westen unterwegs waren, zogen nach Aachen. Gerichte schickten sogar Totschläger zur Sühneleistung dorthin. 1496, als die Stadt 10.000 Einwohner hatte, zählte man an den Stadttoren an einem einzigen Tag 142.000 Pilger. Davon werden sicher auch einige über den Hohen Han gezogen sein.

 

In einem Dokument von 1489 schildert der Hildesheimer Henni Brandis seine Pilgerreise zu Pferd nach Aachen. Sie führte auch über den Hohen Han – 22 Jahre nach dessen schriftlicher Ersterwähnung.

Fünf Tage nachdem sie am Festtag des Hl. Ulrich (4. Juli) in Hildesheim aufgebrochen war, gelangte die siebenköpfige Reitergruppe an einem Mittwoch nach Marburg. Am Donnerstag kam sie mittags nach Ewersbach und abends nach Siegen. Am Freitag rasteten die Reiter in Denklingen zu Mittag und erreichten am Abend Overath. Samstags zur Mittagszeit gelangten sie nach Köln, von wo sie in einem Wagen nach Aachen fuhren. Dort nahmen sie am Festtag der Hl. Margareta (13. Juli) an der Heiltumsweisung teil. Für die Rückreise benutzten sie dieselbe Strecke wie für den Hinweg. Am Fest der Hl. Maria Magdalena (22. Juli) trafen die Pilger wieder in Hildesheim ein“ (LVR / LWL 2007, S. 13).

 

Reisende, die im 17. Jahrhundert über den Hohen Han zogen, erblickten in der Nähe des heutigen Friedhofs nicht nur das erwähnte Kreuz am Wegesrand, sondern unmittelbar daneben auch einen Galgen, der regelmäßig in den Grenzbeschreibungen dieses Jahrhunderts genannt wird.

So wie hier an der Brüderstraße, hart an der Grenze zur Herrschaft Wildenburg, befanden sich entlang der wichtigen Landstraßen und in Grenznähe zur Abschreckung viele Gerichtsstätten und Galgen.

Dieser Galgen wurde auch „Peterchens Galgen“ genannt. Im Protokoll eines Grenzumganges von 1609 heißt es: „von dem hohen Kreutz darbey der halbe galgen, da Pettergens viertel anhangt“. Peter Cramer, ein Dieb und Mörder aus Freudenberg, wurde vom Siegener Scharfrichter enthauptet und in vier Teile geschnitten. Die Viertel wurden an vier Landstraßen an vier Galgen aufgehängt: auf dem Hohenhain, am Holzklauer Schlag, am Krombacher Schlag und auf der Rahrbacher Höhe.

 

 

Die Situation heute

Heute führen die großen Verkehrsströme an Hohenhain vorbei. Als Pilgerweg allerdings ist der Weg über den Hohen Han nach wie vor von Bedeutung, „trägt er doch zu einer Routenführung bei, die auf einer Länge von 850 km zwischen Görlitz und Aachen europäische Staaten und Völker miteinander verbindet. Im weiteren Verlauf ist der Weg durch Belgien, Frankreich und Nordspanien bis Santiago de Compostels ausgewiesen, während in Polen Anschlusswege aus Posen und Krakau bestehen (LVR / LWL 2007, S. 7).

 

Die alte Flurbezeichnung Hohen Han setzt sich im Laufe des 17. Jahrhunderts immer mehr als Name für den Wohnort anstelle von Oendorf durch. Der Name Oendorf aber existiert bis heute weiter – als mundartliche Bezeichnung „Ührndorf“ für die Flur im Westen der Gemarkung Hohenhain und als Familienname Ohrndorf.  

 

                                                                                                    Heinz Fischbach, 2017

 

Literatur:

 

Güthling, Wilhelm (Hrsg.): Freudenberg in Vergangenheit und Gegenwart. Festbuch zur 500.  Wiederkehr der Bestätigung städtischer Rechte für Freudenberg, Freudenberg 1956.

 

Knau, Hans-Ludwig: Die Siegener Landhecke. In: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins e. V., Band 91 / Heft 1, 2014, S. 5-26.

 

Landschaftsverband Rheinland / Landschaftsverband Westfalen-Lippe: Jakobswege. Wege der Jakobspilger in Rheinland und Westfalen, Band 5, Köln 2007.

 

Nicke, Herbert: Die Brüderstraße. Aus der Geschichte der alten Landstraße von Köln nach Siegen. Land und Geschichte zwischen Berg, Wildenburg und Südwestfalen 4, Wiehl 2000.

 

Schutte, Kurt: Zur Geschichte der Adelshöfe Oendorf (jetzt Hohenhain), Eichen bei Freudenberg und Hupsdorf im Freien Grund (Fortsetzung). In: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimatvereins e. V., Band 53 / Heft 1-2, 1976, S.19-22.

 

Siebel, Gustav: Die Nassau-Siegener Landhecken. Eine Untersuchung der Kölnischen Hecke und gleichartiger Wehranlagen bei Siegen. Siegerländer Beiträge zur Geschichte und Landeskunde 12, Siegen 1963.

 

Stötzel, Heinz: Wilhelm der Schweiger. In: Siegerländer Heimatkalender 2016, 91. Ausgabe, herausgegeben vom Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein e. V., Siegen, S. 123-128.

 

 

 

550 Jahre

Hohenhain

Hohenhain. Auf dem idyllischen Dorfplatz unter der Ortslinde am Bürgerhaus feierte der Heimatverein das 550-jährige Namens-Jubiläum. Im sommerlichen späten Nachmittag 2017 feierten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger idyllisch die urkundliche Ersterwähnung von Hohenhain. Zur Jubiläumsfeier begrüßte Ortsvorsteher Heinz Fischbach die Anwesenden, und ging auch auf die oft gestellte Frage ein: "Natürlich ist Hohenhain viel älter".

Denn schon 1992 feierten die Hohenhainer das 525-Jahr-Fest, welches sich auf eine Urkunde, der Siegener Rentei (Finanzverwaltung der Obrigkeit vom Grafen von Nassau-Siegen) aus dem Jahr 1467 bezog. In der kleinen Feststunde ging es also nicht um das Ortsjubiläum, sondern um die erste namentliche Erwähnung von Hohenhain.

Reparaturkosten des Schlagbaumes von „Hohen Han“ betrug vor 550 Jahren die Summe von 9 Schillingen. Diese Zahlen sind in der Rentei-Rechnung seiner Zeit festgehalten worden, worauf sich das Jubiläum und das Fest vom letzten Samstag zurück führen lässt.

Der Handels- und Pilgerweg, der im Jahr 1467 mit seinen Hecken und Graben seine Landwehr und Zollstelle in Hohenhain hatte, wurde im Mittelalter als Bollwerk zum Siegerland gehalten. Der Hohenhainer Schlag war die am stärksten befestigte Anlage der gesamten Siegener Landhecke. Die Jakobs-Pilger passierten den Schlagbaum ebenso, wie die Reisenden die der „Brüderstraße“ folgten von Marburg nach Köln folgten. So kamen die Hohenhainer zu gleich drei Wirthäusern mit der Möglichkeit zur Übernachtung für Fuhrleute und Pferden. Das Restaurant „Schanze“ ist noch heute ein beliebter Platz für eine Rast von Reisenden auf den Höhen von Freudenberg. So kam es auch, dass hinter dem Wirtshaus schon einmal die Zollstelle mit Schlagbaum eingerichtet wurde, über diese geschichtliche Nachlese freuten sich nicht nur die Kinder.

Wie wichtig die Lage von Hohenhain wurde durch den Vortrag von Bernd Brandemann, dem stellv. Vorsitzenden des Heimatbundes Siegen-Wittgenstein, verdeutlicht. „Das Breitband es Mittelalters“, so Bernd Brandemann für eine zeitgemäße Beschreibung der Neuigkeiten-Verbreitung am Zollposten von Hohenhain.

Auf diese „Breitbanderklärung“ stieg dann auch gleich Bürgermeisterin Nicole Reschke ein. Sie brachte noch gleich das Versprechen mit, dass sowohl die Internetgeschwindigkeit als auch die Mobilfunkversorgung in den höchstgelegenen Ortsteilen von Freudenberg verbessert wird.

Mit der musikalischen Untermalung der Singgemeinschaft Dirlenbach-Hohenhain unter der Leitung von Willibald Hausmann feierten die „Hohen Haner“ und ihre Gäste mit selbst gebackenem Kuchen und auf Holzkohle Gebräuntem bis zur Dunkelheit.

 

Quelle: Freudenberg Online